Jetzt sind sie völlig abgehoben!

von Michael (Text) und Franz (Videos und Fotos)

– Geschwungene Linien, lässige Schönheit, Eleganz bereits am Boden: Nein, ihr seht vor eurem geistigen Auge nicht Franz und mich, wie wir durchs Ruhrgebiet oder das Sauerland streifen. Bei dieser Art von Fortbewegung, die wir ansteuern, benötigt man keine Beine, sie sind eher im Weg. Man braucht eine Prise Neugier, einen sitzharten Hintern und es ist der Sache sehr zuträglich, wenn ein Bruder gerade über ein Segelflugzeug verfügt: Schon sind wir in der Luft. Das ist schon Schlendern der Extraklasse, 1100 Meter über dem Erdboden!
Noch einmal zurück auf Start. Wir verdanken dieses außergewöhnliche Erlebnis auf dem Flugplatz Iserlohn-Sümmern einer Einladung von fünf gesetzten, unaufgeregten Herren des Aero-Clubs Hagen. HS steht in großen Lettern auf dem Leitwerk und steht für: Klaus Bernhard Erwin Dieter Jürgen Haben Spaß.

Die Dame liegt entspannt im Gras

Die Dame in Weiß, die vor uns entspannt im Gras liegt, ist mit Baujahr ’66 fast genauso betagt wie wir. „D-5303”, so die Kennung des Segelfliegers, gehört diesen fünf Leuten und drei von ihnen, Klaus, Erwin und Bernhard, haben sich an diesem Tag mit uns zum Fliegen verabredet. „Wir sind die Oppas”, sagt Bernhard, „wir verstehen uns toll und wir teilen uns das Flugzeug.”

Der F-Schlepper möhrt heran

Segelfliegen heißt erst einmal rund 800 Meter schlendern zum Start, stehen und warten. Dann möhrt Charly mit dem F-Schlepper heran. Schlepper ist eine schwerfällige Untertreibung für die Robin Remorqueur DR400, aber so werden die beliebten Tiefdecker für den Schlepp von Segelflugzeugen nun mal bezeichnet. Bernhard und Erwin checken Querruder, Höhenruder, Seitenruder, Trimmung, Bremsklappen, wunderbar.

Einsteigen, angurten, abheben

Wer fliegt mit? Alle zeigen auf mich. Also gut. Einsteigen, angurten, Schleppseil einklinken, starten, segeln, landen. Ganz sooo schnell war’s nicht. „Wir müssen hinter der Maschine zuerst abheben, damit sie möglichst wenig Masse über den Acker ziehen muss. Wir dürfen dabei aber nicht zu hoch steigen, sonst heben wir das Heck des F-Schleppers an und machen aus ihm einen Rasenmäher”, sagt Bernhard. Sehr plastisches, sehr tiefes Vertrauen erweckendes Bild. . .

Wir klinken uns jetzt mal aus

Charly gibt dem Schlepper die Sporen, wir reiten auf einem Rad schleifend und ratternd über die Wiese, das einen endlich mal Beckenbauers Bild vom „Rumpelfußball” verstehen lässt und schon sind wir oben. „Such uns eine schöne Wolke”, funkt Bernhard an Charly. „Yo!”, entgegnet er und bei 420 Metern Höhe klinkt Bernhard uns aus.

Sogar die Laufwege der Kühe kann man sehen

Tja, ist alles gar nicht so schlimm, Leute, außer dass einem bei der Beschreibung des Segelfliegenzustandes bass die Worte fehlen. Doch versuchen wir es mal. Am Horizont sumpft das Sauerland im Dunst, unter uns abgezirkelte Stadtteile, Kornfelder und tiefgrüne Weiden: Die Flächen strahlen eine große Ruhe aus. Wir überschauen die Ordnung, die Menschen sich auf der Erde geben und erheben uns ungestraft über sie. Wir bestaunen Linien, Kurven, Schlingen und Kreise, geometrische Muster, die Landwirte in ihre Äcker und Felder ziehen, manche so Linien so gerade wie mit GPS-Lineal aus dem All gezogen. Wir erkennen sogar die chaotischen Laufwege der Kühe – BVB-Trainer Jürgen Klopp hätte bei den Viechern einiges zu optimieren.

Ein Zustand der Leichtigkeit

An der Iserlohner Justizvollzugsanstalt ist der Neid der eingesperrten Ameisen am Boden förmlich zu greifen und wie muss sich eigentlich ein Bussard vorkommen, dem noch größere Vögel von oben auf die Flügel schauen? Es stellt sich – trotz der beinharten Sitzschalen an Bord – ein Gefühl der Geborgenheit und Getragenheit ein, ein Zustand der Leichtigkeit, der sich selbst beim optimalen Wandern nur bei erfahrenen alten Hasen wie uns einstellt;-)

 

Einer gibt der alten Dame den Arm

Franz und ich gehen ein paar Mal in die Luft, auf dem Sitz hinter dem Piloten, der den „Bart” sucht, die optimale Thermik, die uns immer höher trägt. Am Boden nimmt uns die Schwerfälligkeit wieder in Empfang. Bernhard und Klaus ziehen das Flugzeug an einem Seil hinter dem Auto zum Startplatz zurück. Und einer hält dabei einen Flügel hoch, gibt der alten Dame einen Arm und führt sie galant zum Startpunkt zurück.

 

Der Aero-Club Hagen im Netz

Franz_Autor Michael_Autor

 

 

 

4 Kommentare zu “Jetzt sind sie völlig abgehoben!

  1. Hallo lieber Michael,
    Ralf und ich sitzen bei einem alkoholfreien Bier, deiner Musik von Ben Howard und dem Schlenderer bei kuschligen Temperaturen um die 30 C und unterhalten uns prächtig!!!
    Du bist also tatsächlich im Segelflugzeug unterwegs gewesen…!
    Großartige Seite, die ihr erstellt, erfunden und gestaltet habt…

  2. Lieber Michael,
    Super !! Genial !! Klasse !!
    Du bringst zum Ausdruck, was und wie ein Segelflieger fühlt

    Lieber Franz,
    deine Fotos sind einfach spitze!!
    Wir hoffen auf viele schöne Abzüge

    Ihr beide seid immer als Co-Piloten in unserer Schleicher K7 zum „Tanz in den Wolken“ willkommen

    Bernhard und Klaus

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