Über die Dörfer

Von Franz (Fotos) und Michael (Text) – Die namenlose Kapelle in Niederberndorf hat wenige, winzige Fenster und ist verschlossen. Irgendwie ein Symbol für den sturen Sauerländer Menschenschlag. Gleichviel, wie der Feuilletonist sagt, wir sind ja schließlich nicht zum Quatschen, sondern zum Wandern hier.

Es herrscht ruhiges Herbstwetter an diesem Tag bei unserem Gang rund um das Wennetal. Nebel ruht noch in den Tälern, dicht über den Kämmen liegen Wattewolken. Hier spannen die Täler sehr weit, Wald, Wiesen- und Felderwirtschaft wechseln sich ab. Dazwischen verstreut kleine Ortschaften wie Niederberndorf, Niederlandenbeck, Menkhausen, es ist ein Gang über die Dörfer.

Goldener Laubteppich vorm Antonius

Mann, Mann, was ist nur aus uns geworden? Schon nach ein paar Kilometern hängen wir auf einer Bank ab und schauen gegen die Sonne dem Dunst zu, wie er aus den Wäldern abzieht. Es gibt „Frühstückchen“, weil nicht alle 160 Knoppers aus der Großpackung in das Paket passten, das auf die Lofoten verschickt wurde. Wir haben da oben noch etwas gut zu machen (guckst Du hier). Dem Hl. Antonius an unserem Weg hat die Natur einen goldenen Laubteppich vor den Bildstock gelegt. Dessen Architekt muss irgendetwas mit Lehrschwimmbecken zu tun gehabt haben; verbaut wurden innen Fliesen und Minifliesenteppiche aus den 60er Jahren.

Zack! Uwe Timm, Ikarien

Jetzt reden wir aber doch, weil der Anblick junger und alter Weihnachtsbaumfelder, die man in dieser Gegend sehr oft sieht, nicht zum Verweilen einlädt.* Franz fängt an, zack! Uwe Timm, Ikarien. Im Großen und Ganzen geht es um die Geburt der Rassenhygiene, die auf den Sozialisten Alfred Ploetz zurückgeht, der NS-Eugeniker war der Großvater von Timms Frau und geistiger Wegbereiter von Hitlers Rassenwahn. Ikarien, ein Zusammenschluss, eine Kolonie Gleichgesinnter in den USA, die jedoch an ihren Ansprüchen scheiterte. „Es kann keine Gleichheit geben, wo die Ungleichheit so groß ist“, so Ploetz, der die Vision von einer „Aufzucht eines starken, gesunden, vor allem auch schönen Geschlechts“ durch Ausmerzung des Schwachen, Abweichenden hatte. Aktueller Stoff, wenn Sie mich fragen, in einer Zeit, in der eine deutsche Partei wieder die „Entsorgung“ türkischstämmiger Mitbürger fordert.

Harziger Mensching

Ein wenig zäh zu lesen, konstatiert Franz. Aber bei weitem nicht so harzig wie Steffen Menschings Werk „Schermanns Augen“. Der Protagonist Rafael Schermann findet sich unversehens aus der Wiener Caféhaus-Szene mit ihren intellektuellen Größen wie Kokoschka, Piscator, Döblin etc. in ein stalinistisches Strafarbeitslager versetzt, in dem er zusammen mit einem deutschen Kommunisten zu überleben versucht. Doch dem Theaterintendanten und Dramaturgen Mensching gelingt es, dieses Stück dunkler Zeitgeschichte regelrecht zu zerschreiben. „Zu viele Noten“, um ein Zitat aus einem Mozart-Film zu verwenden, zahllose Menschen und Ereignisse ohne roten Faden, wie aus Akten, Briefen, Dokumenten entnommen und aneinandergereiht.

Paritätisches Wandern: warum nicht?

Und plötzlich sind wir bei der Politik und bei der Obdachlosen-Zeitschrift „Bodo“, aus der Franz erfahren hat, dass es in Deutschland mehr Staatssekretäre mit dem Namen Hans gibt als weibliche Staatsekretärinnen (19) insgesamt. Zu Justizministerin Katarina Barley, die einen höheren Anteil weiblicher Parlamentarier notfalls per Wahlrechtsreform erzwingen will, ist es dann nicht mehr weit. Ähm, Frau Barley, vielleicht fangen Sie mal in der SPD an und stellen von vornherein paritätisch Frauen und Männer auf?

Bei so viel Sachverstand in der Bundesregierung ist es vermutlich nicht mehr weit, bis auch ein Gesetz verabschiedet wird, dass paritätisches Wandern vorschreibt. „Es gibt in der Wanderszene nämlich viel mehr Michaels als Michaelas“, witzelt Franz.
Obwohl: Ich hätte da nichts gegen;-)

*Ohne Worte: Die Bilder geben den Verlauf unserer Wanderung wieder.

 

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