Der Trost der Natur

Von Franz (Fotos) und Michael (Text) – Wie, Franz, was issen los? Keine Umarmung, kein Küßchen heute? (Schlechter-Scherz-Modus aus.) Wandern in Zeiten des Covid-19-Virus ist nicht lustig. Das Ding hat wirklich im Handumdrehen jegliches öffentliche und Vereinsleben bis hinunter auf Dorfebene abgekühlt. Als kleines Kommando Fußmarschkörper unterlaufen wir behördliche Verbote, weil bei uns die Ansteckungsgefahr erheblich geringer ist, weshalb wir nun unsere Tour in Mellen starten.
Der erste Eindruck hinterm Dorf: viel Landwirtschaft, Wiesen, offenes Geplente. „Das Wetter ist doch viel zu schlecht zum Wandern“, ruft uns eine ältere Dame zu. „Es regnet immerhin nicht“, entgegnen wir. Viel, viel zu viel Niederschlag ist in den Wochen zuvor gefallen, deshalb ist der Untergrund tückisch und glitschig, Bananenschale nur Hilfsbegriff. Ein Grünspecht pumpt mit sinusförmigem Flug vor uns her.

Quality time an der Melscheder Mühle

Dann erreichen wir auch schon die Melscheder Mühle und gönnen uns ein paar Momente quality time. Das alte Gemäuer und der Mühlenteich davor liegen in der Frühlingssonne, ihre Strahlen lassen alte Kopfweiden am Ufer in wunderschönen Pastellfarben leuchten. Einfach nur schön!
Noch schöner: Der mäandrierende Orlebach im gleichnamigen Naturschutzgebiet. Er legt wie aus dem Lehrbuch (Wikipedia: Mäander ist die Bezeichnung einer Flussschlinge in einer Abfolge weiterer Flussschlingen) Windungen ins grüne Wiesental, sein durch Regenfälle aufgetriebener Leib schießt Richtung Schloss Wocklum. Dort mischen sich zwei Düfte: die des kurz zuvor zwischen den Fingerspitzen zerriebenen frischen Waldmeisters mit dem herben Stallgeruch der Pferde. Das Wasserschloss, Sitz derer von Landsberg-Velen, ist schließlich mit seinem weiträumigen Gelände Austragungsort des „Balve Optimum“, einem Reitsportturnier von internationalem Ruf.

Trostwald über dem Schloss

Gleich darüber liegt eine ebenso weiträumige, sehr schöne Einrichtung zur Bestattung unserer Verstorbenen. Der „Trostwald“, so dürfen wir schlüssig vermuten, gehört auch zu den Besitztümern der Landsberg-Velens, ist ein lichter, großer Wald, in dem die Asche Verstorbener an den Wurzeln ausgewählter Bäume beigesetzt wird. Eine sehr gute Idee: Dort begraben zu werden, wo man sich schon zu Lebzeiten wohl gefühlt hat. Preise variieren je nach Platz, Grabrecht und Dauer. Wir bemerken respektvoll: Wocklum ist weiter als so manche katholische Gemeinde.

Kunst auf dem Friedhof? Passt!

In Elspe soll kürzlich ein neu errichtetes Kunstwerk auf dem Friedhof die Gemeinde „gespalten“ haben, was natürlich Quatschgerede der Medien ist. Das Ensemble rund um die alte Kirchenglocke des Elsper Krankenhauses ist der Mittelpunkt, eingerahmt von Platten aus Corten-Stahl (der mit dem Rost als Schutzsperrschicht), daran angeflanschtem Holz als Sitzmöglichkeit und einer farbigen Glasplatte (Augen hier + hier hin richten). Die Älteren unter uns erinnern sich: Der us-amerikanische Bildhauer Richard Serra sorgte vor mehr als 40 Jahren mit seiner wuchtigen, zwölf Meter hohen und 100 Tonnen schweren Skulptur „Terminal“ in der Nähe des Bochumer Hauptbahnhofes für Aufsehen (und Erregung der Bevölkerung). Schön, dass die Elsper Jakobus-Gemeinde auch den Mut zu außergewöhnlichen Materialien hat und dazu, im östlichen Teil des Friedhofes einen Friedwald/Trostwald anzulegen, wie man hört. Wäre meine Wahl, aber bitte keine Fichte! Zu viele Käfer.

Den Bump zum Abschied

Zum Schluss klettern wir oberhalb von Schloss Wocklum noch auf eine andere Burg. Die Befestigung „Olle Borg“ wird auf das karolingische Zeitalter um 1000 n. Chr. datiert, und erhebt sich sehr prägnant und sichtbar aus dem Bodenprofil. Leider sind die Informationen über diese alte Wallburg sehr dürftig.
Mellen erreichen wir im besten Frühlingssonnenschein und frischen Frühlingsdüften. Jo, Männer, und zur Verabschiedung den Ellbogen-Bump!

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