Graugrünsilbernes Paradies

Von Franz (Fotografie) und Michael (Text) – Im Ruhrgebiet hast Du als Schlenderer ein strukturelles Problem: Es gibt zu viel Stadt für zu wenig Natur. Man kann aber, wie in Lünen, grüne Rückzugsorte wie die Lippe-Auen schaffen.

Seit einigen Jahren führt ein Rundweg durch die 328 Hektar umfassende Auenlandschaft und wir orten mit traumwandlerischer Sicherheit den Riss im architektonischen Panzer der Stadt, der uns hineinführt. Wir betreten ein „blau-grünes Paradies“ (Eigenwerbung) und fühlen uns ein wenig wie die Terranauten in T.C. Boyles gleichnamigem Roman, die durch eine Schleuse in ein künstliches Ökosystem gelangen, in dem sie für ein Jahr isoliert von der Außenwelt leben müssen.

Die Lippe is a gaanz a träger Fluss

Ist ja wirklich alles grün hier, sogar die Weiden entlang der Lippe schimmern in einem Graugrünsilber. „Paradies“ ist jetzt ein bisschen gestrunzt, aber wer sind wir, der Wasserminze und dem Ufer-Wolfstrapp, dem Kammolch, dem Großen Blaupfeil diese Illusion zu nehmen? In dem Fließ- und Stillgewässer selbst tummeln sich übrigens Nasen, Aale, Kaulbarsche und Flussneunaugen. Ja, die Lippe is a gaanz a träger Fluss. Du entschleunigst allein durch das Betrachten seiner Fließgeschwindigkeit. Nachteil für Wanderer: Du kommst nur genauso träge vom Fleck wie der Fluss.

Die Ur-Lippe floss nordwärts

Wenn man als Stadt nur wenig attraktive Natur hast, erliegst Du schnell der Versuchung, sie mit Bedeutung aufzuladen. Überall an diesem Rundweg durch die streckenweise herrliche Auen- und Parklandschaft stehen Info-Tafeln oder „Erlebnisstationen“. Kommentierte Natur. „Hier stand…“ mal das Schloss Buddenberg, „hier lebten in der Alt- und Mittelsteinzeit“ Mammut, Waldelefant und Saiga-Antilope, undsofort. Die Ur-Lippe floss damals nordwärts in die Ems, es gab nämlich noch keine Politiker, die Eiszeiten und Klimawechsel verhindern wollten (bitte beachten Sie den Ironiegehalt). Ach ja, möbliert wird die Aue auch noch, mit Steinen und Bänken und Schaukeln und künstlich angelegten Tümpeln.

Keine Stimme der AfD!

Als Portal für gesamtgesellschaftliche Aufklärung und politische Weitsicht weisen wir kurz vor der BTW2017 darauf hin, unbedingt wählen zu gehen. Keine Stimme der AfD, keine Stimme für die Nichtwähler!

In diesem Zusammenhang müssen wir Peter Altmaier (CDU) mal eben in Schutz nehmen. Er hat NICHT aufgerufen, gefordert oder wie auch immer, besser nicht zu wählen als der AfD die Stimme zu geben. Der Kanzleramtsminister mit der Aura eines gemütlichen Plüschsofas ist nur auf eine dämliche BILD-Frage (AfD wählen besser als nicht wählen? – Nein!) hereingefallen, die er ausdrücklich nur mit Ja oder Nein beantworten sollte. Was man ihm vorwerfen kann, ist eben dies, sich auf ein solch schwachsinniges Frage-Antwort-Spiel einzulassen. Der anschließende bundesweite Shit-Storm gegen Altmaier in den Medien lässt erhebliche Zweifel an der Geistesverfassung mancher Kommentatoren und Politiker aufkommen. Wer sich näher interessiert, liest dazu Stefan Niggemeiers Beitrag im Blog „Übermedien“.

Der Dschungel neben der City

Als Schlenderer würden wir übrigens kurze Wanderhosen wählen, doch die liegen leider schon verstaut im Kleiderschrank. Ein herrlicher Tag im Indian Summer mit Temperaturen über 20 Grad. Unser Weg führt oft über die Deichkrone der Lippeauen, was dir als Wanderer gute Übersicht und ein erhabenes Gefühl beschert. In Lünen versperrt ein Gitter den weiteren Weg ins Grüne. Der Lippeauen-Weg führt eigentlich auch nicht daher, aber… „There’s a crack in everything, that’s where the light gets in“ wußte schon Leonard Cohen. Wie das Licht nutzen wir den Spalt neben dem Gitter, schlüpfen als Stadtindianer in den Dschungel neben der City und suchen einen Pfad durch krautiges Unterholz und übermannshohen Kamschatka-Knöterich. Vor der Westfalia-Fußgängerbrücke am Wehr in Beckinghausen liegt ein restauriertes Fährhäuschen am Ufer der Lippe. Wir buttern und schlienzen träge in die Sonne.

Auf dem kommenden Rückweg hat es sich weitgehend mit grüner Natur, viel City, viel befestigte Strecke. „Den Abschnitt könnte man sich klemmen“, meint Franz. Keine Gegenrede.

Hier ist die Streckenführung beschrieben: http://lüner-lippeaue.de/

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