Schlendern auf Schwedisch

Von Martin (Text und Fotografie) – Die üblichen Fortbewegungsarten des gemeinen Schlenderers lassen sich im verschneiten Schweden, oben in der Provinz Dalarna nahe der norwegischen Grenze, nicht einsetzen.
Etwas anderes muss also her.

Erste Variante: Langlaufski

Geknubbel in der Loipe? Nervige Mitsportler, die in ihr Handy quaken? Riskante Überholmanöver? Nicht hier im Wintersportgebiet Idrefjäll. Endlos lange, gut gespurte Loipen, aber kaum Menschen darauf. Wir genießen es, durch die Landschaft zu gleiten und nur zu schauen.
Kulinarischer Höhepunkt: über dem offenen Feuer gebackene Waffeln in einer Hütte neben der Loipe. Optische Höhepunkte: Die Berge und skurril geformte Bäume.

Zweite Variante: Schneeschuhe

Schon vor 12.000 Jahren auf Höhlenwände gebannt, sind Schneeschuhe keine wirklich neue Erfindung, unsere Ausführung in schlagzähem, bunten Kunststoff haben aber ein durchaus modernes Outfit. Wie man sich damit fortbewegt? Ein Tipp: Wer wie John Wayne läuft, kommt gut voran, Marilyn-Monroe-Lauftypen müssen mit Stolperern rechnen.

Wer langsam läuft, läuft gut”

Auf geht’s zur Besteigung des Städjan, der sich mit 1131 m Höhe als markanter, weißer Amboss aus dem mageren Wald heraushebt. Dank des Mantras von Führer Johannes „Wer langsam läuft, läuft gut“ kommen wir ohne Atemprobleme durch den Wald (der hier auf knapp 800 Höhenmetern endet) auf die vom Wind verblasene Freifläche, die auch von Rentieren zur Futtersuche genutzt.

Klar, wenn nur 10 cm Schnee statt der der üblichen 100 cm liegenbleiben, kann das heimische Wild sich leichter die spärlichen Pflänzchen herauskratzen. Uns raubt der nun heftige Wind den Atem und die Körpertemperatur; es fehlt der Rentierpelz, stattdessen kommen Überhose und Jacke zum Einsatz. Immer steiler steigt die Flanke des Berges an, die Schneeschuhe mit den bissigen Harscheisen wollen wohl gesetzt sein, zum Abschluss noch eine etwas knifflige Stelle. Und dann breitet sich unter uns die ewig weite Landschaft mit Wald, Fjäll und Bergen aus. 

Dritte Variante: Hundeschlitten

Eher was für Typen, die Fortbewegung weniger mit körperlicher Anstrengung, aber gern mit Kontemplation verbinden. Aber halt: zunächst muss die Ausfahrt aus der Huskyfarm bewältigt werden. Meine fünf vierbeinigen Antriebsmittel haben solchen Spaß am Laufen, dass sie ordentlich Gas geben. Beim Versuch die bremsende Gummimatte zwischen den Kufen hoch zu klappen, haut es mich fast vom Schlitten runter – das wäre peinlich geworden. Aber dann läuft es fast von allein durch die verschneite Landschaft, über gefrorene Seen und Moore. Die Hunde folgen dem Führungsschlitten, nur ab und zu muss ich auf die Bremse (besagte Gummimatte) treten, um nicht zu überholen. Zeit für Schauen und Nachdenken.

Jacke, Overall, Spezialstiefel

Kaum zu glauben bei Temperaturen um die -10°C und heftigem Fahrtwind: mir wird es warm. Vor der Fahrt musste ich mich in Jacke, Overall und Spezialstiefel dermaßen verpacken, dass jedes Michelin-Männchen neben mir etwas magersüchtig wirkt.
Die zwei Stunden Fahrt vergehen wie im Flug. Nach der Rückkehr werden die Huskys ausgespannt und geknuddelt, sie würden am liebsten gleich wieder loslaufen. Wir dagegen nehmen im gut geheizten Haus noch Kaffee und Kekse zu uns und klönen mit dem Schweizer Paar, das sich hier seinen Traum vom anderen Leben verwirklicht hat.

Vierte Variante: Backcountryski

Die nordische Variante des Langlaufskis, breiter und mit Stahlkante, eignet sich gut für Touren durchs ungespurte Gelände. Auf dem Programm steht eine 16-km-Schleife um das Nipfjället.

Am Anfang geht’s auf und ab durch den Wald, schon bald verkleinert sich unsere Gruppe um 25%. Der Kollege mit normalen Langlaufski hatte schon Probleme beim Abfahren und Aufsteigen, fällt jetzt ganz aus wegen gebrochener Bindung. Ein Lob auf unsere Bretter!
Im Aufstieg lassen wir den Wald hinter uns und geraten in den Wind und Nebel. Assoziationen zu Südpolarexpeditionen drängen sich auf. Im Gegensatz zu Scott und Co. folgen wir aber einem mit Kreuzen gut gekennzeichneten Weg. Ein bis zwei dieser Wegweiser sind trotz Nebel immer voraus sichtbar, aber plötzlich dann doch nicht mehr.

Amundsen, wie im Schnee verkrustet

Welcher Abgrund könnte dort vor uns lauern? Vorsichtiges Weiterrutschen in die ursprüngliche Richtung bringt uns dann doch in Sichtweite des nächsten Kreuzes. Nach einiger Zeit sehen wir aus wie Amundsen, mit Schnee verkrustet.
Schutz für die Jause finden wir in einer Hütte. Dort begegnet uns: ein Mensch! Der erste und einzige heute. Der redselige Schwede ist allein im Fjäll unterwegs, offensichtlich mit deutlich höherer Geschwindigkeit als wir.
Nach der Pause ein weiterer Aufstieg bei schlechter Sicht und eine Abfahrt ins Unbekannte, die aber tatsächlich am Ausgangsort endet – unserem Tourbegleiter sei Dank!

Resumee

Tolle Alternativen zum Forstwegschlendern! Sogar mit leichtem Wellnessfaktor: die Holzofensauna wurde täglich genutzt. Mein persönlichter Hit ist die Variante 4 mit viel Naturerlebnis.

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