Dem Eisvogel auf der Spur

Von Marco Poddighe (Fotos) und Michael (Text) – Über poddi, den „Jäger”, der mit seinen Objektiven vor allem flugfähigen Fotomotiven auflauert, haben die Schlenderer vor einiger Zeit bereits berichtet (jetzt schreibt er über uns). Und weil Marco ein überaus netter Kerl ist, hat er mich eingeladen, ihn in einem seiner Eisvogel-Reviere zu begleiten. Einzige Bedingung: Klamotten anziehen, die nass UND dreckig werden dürfen und Verschwiegenheit, um die Brutplätze der schönen Vögel nicht zu gefährden.

So stehen wir eines Morgens kurz nach acht Uhr am Ufer der Lenne in – sagen wir mal: Großbereich – Lennestadt. Es ist eines der Reviere, in dem der Rheinländer nicht jeden zweiten Tag umherstreifen kann, aber gegen Ende der Brutsaison will Marco die Nisthöhlen inspizieren. Wir stiefeln los. Das mit dem robusten Zeug war ne gute Idee, die Uferbereiche sind weich, tief und feucht, leider aber auch überwuchert. Das Drüsige Springkraut, ein indischer Einwanderer mit explodierenden Samenkapseln, verdeckt die Steilbereiche, in die der Eisvogel seine Höhle baut. Marco vermutet Höhlen alle 500 bis 1000 Meter und 20 bis 30 Eisvögel in diesem Großbereich. „Ich wiederhole mich gern: Ich halte die Lenne für einen der Flüsse mit den meisten Eisvögeln in NRW”, sagt er.

„Ansatzlos taucht der Eisvogel ab”

Doch die fliegenden Diamanten machen sich rar (Vorführeffekt!) und Marco erzählt mir etwas über den Alcedo atthis, der im englischen Sprachraum Kingfisher heißt, was einiges über seine Wendigkeit und Schnelligkeit sagt, mit der er auf der Jagd nach Fischen zuschlägt. „Ansatzlos taucht er von seiner Sitzwarte über der Wasseroberfläche ab und ist schon im nächsten Moment wieder oben.”

Größere Fänge werden durch Schläge auf den Ansitzast getötet und zurechtgelegt. Mit der Beute im Schnabel, der Kopf des Fisches weist nach vorn, steuert der Vogel seinen Bau an und fliegt nach einem rechtwinkligen Haken ein. Für den Jungvogel praktisch: Er kann den Fisch glatt schlucken, da er ihn in richtiger Richtung serviert bekommt, ohne dass sich die Schuppen sträuben. In dem bis zu einem Meter langen, aufsteigenden Gang, der am Schluss in einen Kessel abfällt, erwartet den Altvogel ein „Brutkarussell” aus fünf bis sechs Jungen. Die Nistlinge rotieren, so dass jeder gefüttert werden kann.

Jungvögel werden mit ruppigen Schnabelhieben vertrieben

Von den Jungvögeln überleben nur wenige, Populationsverluste von 80 Prozent sind eher die Regel als die Ausnahme, bei den Altvögeln liegt die Rate bei bis zu 60 Prozent. Von daher erklärt sich auch der Fleiß, mit dem Eisvögel für Nachwuchs sorgen. Bis zu drei Gelege schaffen sie pro Saison, „sie können auch Schachtelbruten anlegen”, erklärt Marco. Während das Weibchen das zweite Gelege bebrütet, füttert das Männchen dann die ersten Jungvögel. Nachdem sie flügge geworden sind, werden sie übrigens von den Altvögeln aus dem Revier vertrieben, manchmal mit ruppigen Schnabelhieben auf den Kopf.

Wir haben inzwischen einen fischreichen „Hotspot” für Eisvögel erreicht und beschließen, eine Weile ausharren. Was Marco leichtfällt, während wir Schlenderer ja eigentlich von der Bewegung her wechkommen, sach‘ ich mal. Mit einem scharfen, langgezogenen „Thieht!” kündigt sich ein Eisvogel an, Sekundenbruchteile später jagt ein gedrungener, türkisblauer Blitz an uns vorbei, gefolgt von einem zweiten. Einen Ansitzast fliegen sie nicht an. Schade, wir (ich!) hätte/n den Eisvogel gerne näher betrachtet (habe auf der anderen Seite viel gelernt bei dieser Exkursion). Marco hat jedoch ein gutes, volles Archiv, „eine halbe Festplatte“ mit Eisvogelfotos. Aber ein paar Motive fehlen auch ihm noch: Der Moment, wenn ein Eisvogel ins Wasser eintaucht, wenn die Jungvögel vertrieben werden oder wenn das Männchen in der Balz sein „Hochzeitsgeschenk”, kleine Fische, an das umworbene Weibchen übergibt.

Der Blick ist immer aufs Wasser gerichtet

Mit mehr Ausrüstung – etwa Lichtschrankenauslöser – könnte man einiges machen, aber Marco behagt zuviel Technik nicht. „Ich will selbst sehen, spüren, erleben und das Wasser riechen”, sagt er. Den Blick wendet er bei unserer Erkundung nie von der Lenne, ein Auge ist immer auf den Fluss gerichtet. Ich kann das gut verstehen, ich kenne das ja: In der Pilzsaison ist mein Blick im Wald immer bodengerichtet und scannt nach Steinpilzen und Pfifferlingen…

Tipps: Wie finde ich Eisvögel?

  • An Flüssen mit lehmigen oder sandigen Steilufern, in die sie ihre Höhlen bauen. Auslaufender Kot zeigt an: hier wird gewohnt.
  • Eisvögel fliegen meist wieder den selben Ansitzast an. Es sind tiefhängende Zweige über ruhigen, fischreichen Wasserstellen. Möglicherweise verraten kleine, glitzernde Fischschuppen die Sitzwarte eines Eisvogels; dort schüttelt er seine Beute tot.
  • Bei Erkundungen bitte Geduld mitbringen und die sensiblen Vögel nie stören.
    Michael_Autor

3 Kommentare zu “Dem Eisvogel auf der Spur

    • Ja, es hat was, dieses Eisvogelgucken. Dank Marcos „Ausbildung“ sehe ich sie bei unseren Wanderungen immer zuerst. Na ja, Franz hat meistens die Kamera am Auge…
      Grüße
      Michael

  1. Hallo Michael,

    vielen Dank für den Artikel! Auch mir war es eine Freude mit dir unterwegs gewesen zu sein. Es war übrigens das erste Mal, dass ich jemand mit auf eine Lenne-Eisvogel-Tour genommen habe. Gerne wieder! Dann aber mit ansitzen – es müssen ja nicht direkt 5 Stunden sein. Eventuell reichen auch bereits zwei.

    Dein Angebot für eine gediegene Schlenderei nehme ich gerne an. Aber bitte nicht mehr als 5 Hm und 5 km.

    Beste Grüße,
    poddi

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